Content-Strategie in der Praxis Part I: Das quantitative Content Audit

Es gibt bereits viele Bücher über Content-Strategie und ihre Methodologie. Wie Content-Strategen in der Praxis tatsächlich vorgehen, bleibt aber oft ein Rätsel. Wir haben exemplarisch eine Content-Bestandsaufnahme für den Studiengang JPR durchgeführt. Hier erklären wir, was ein quantitatives Content Audit ist, was es kann und wie es “gemacht” wird. Das qualitative Audit folgt in Part II.

Content Audit – Was ist das?

Ein Content Audit ist eine Bestandsaufnahme aller bereits vorhandenen Inhalte. Dieser Prozess betrifft in erster Linie den Content auf der Website des Unternehmens, der in mehreren Schritten quantitativ erhoben (quantitatives Content Audit) wie auch qualitativ bewertet wird (qualitatives Content Audit). Ziel ist es, einen Überblick über den aktuell vorhandenen Content zu bekommen – von der Landingpage bis zur letzten Subebene der Website. Die Erkenntnisse der Content-Bestandsaufnahme bilden die Grundlage für die beiden folgenden Phasen der Content-Strategie (Analyse und Strategie).

Wozu dient ein Content Audit?

Die Content-Bestandsaufnahme dient dem Content-Strategen nicht nur dazu, einen Überblick über die vorhandenen Inhalte zu erlangen. Weitere Vorteile sind folgende:

  • Den Stakeholdern und Entscheidern im Unternehmen können detailliert die Schwachstellen, Risiken und Verbesserungspotenziale der Inhalte auf ihrer Website vor Augen geführt werden.

  • Die Ergebnisse des Content Audits dienen weiters als Bezugspunkt für neuen (oder existierenden) Content während der Content-Entwicklung. Sie sind besonders für Redakteure eine große Hilfe.

  • Indem man so erste Problemfelder analysiert, wird auch schnell klar, welche Ressourcen (Personal, Zeit, Budget etc.) für die Verbesserung der Inhalte nötig sein werden. Damit kann man den Umfang des geplanten Webprojekts vor den Stakeholdern rechtfertigen.

Rohdaten sammeln: Das quantitative Audit

Before you ever begin to brainstorm about which content you need, you must understand exactly what you have. Before you can decide where to focus your web improvement efforts (and allocate your budget), you need to know exactly what needs improving and why.

Quelle: Kristina Halvorson. Content Strategy for the Web (1st Edition)

Quelle: http://blog.braintraffic.com/2009/03/the-content-inventory-is-your-friend/ (2.4.2012)

In diesem Post beschränken wir uns wie gesagt zunächst auf die quantitative Bestandsaufnahme. Hier geht es darum, die Struktur der Website bzw. ihre einzelnen Ebenen und Subebenen zu erfassen und vorhandenen Content sowie dessen wichtigste Merkmale zu identifzieren.

Tool: Das Content-Inventur-Dokument

Für die Content-Bestandsaufnahme wird in der Literatur ein einfaches Tabellenformat vorgeschlagen. Nutzerfreundlich ist beispielsweise ein (Excel-)Spreadsheet, welches eine beliebige Anzahl von Ebenen und Kategorien erlaubt. Wir haben bei der Bewertung der Inhalte mit einem Google Doc gearbeitet. Der Vorteil dabei ist, dass zwei oder mehr Personen gleichzeitig das Dokument editieren können und nicht am Ende mehrere Versionen vorliegen, die erst mühsam zusammengefügt werden müssen. Dieses Dokument wird Content Inventory (Content-Inventur) genannt und ist das Kern-Tool beim Bestandsaufnahmeprozess.

To audit your current web content, click through every single page of your website and any other web content for which your organization is responsible, and record what you find. Then, you’ll record your findings in a document called a content inventory.

Quelle: Kristina Halvorson. Content Strategy for the Web (1st Edition)

Die horizontale Ebene des Spreadsheets (Zeile 1) legt die Informationen fest, die bei der Bestandsaufnahme betreffend den Content erhoben werden. Vertikal werden anschließend die einzelnen Ebenen der Website dokumentiert (durchnummeriert und untereinander gestellt). Jede Zeile wird anschließend mit den entsprechenden Informationen zu einer Page bzw. Subpage befüllt.

Quelle: http://www.adaptivepath.com/ideas/doing-content-inventory (2.2.2012)

Welche Informationen im Content-Inventur-Dokument gesammelt werden, hängt einerseits von den Rahmenbedingungen bzw. Voraussetzungen (Scope) des jeweiligen Webprojekts ab. Andererseits findet sich in der Literatur eine Vielzahl von Vorschlägen, wie sich ein solches Dokument strukturieren lässt.

Wie ein Audit “gemacht” wird

Wie Kristina Halvorson beschreibt auch Jeffrey Veen die quantitative Bestandsaufnahme als “a relatively straightforward process of clicking through your Web site and recording what you find.” (Quelle: adaptivepath.com) Er empfiehlt, zunächst die Hauptsektionen der Website (z.B. Team, Services, Produkte, Kontakt etc.) zu identifizieren und anschließend jede Sektion einzeln zu bearbeiten, indem in jede Zeile die in den Kolumnen spezifizierten Informationen eingetragen werden. Alle Ebenen der betreffenden Sektion werden so erfasst, bis zur untersten Subpage.

Die Erfassung der Informationen ist auch bei nicht sehr umfangreichen Websites arbeitsaufwendig. Veen betont dennoch, dass die Bestandsaufnahme eine entschieden menschliche Aufgabe ist und nicht in der gleichen Qualität z.B. durch ein Script ersetzt werden kann, das etwa URLs automatisch ausfindig macht.

Veen schlägt folgende Kategorien vor, die auch wir für unsere Bestandsaufnahme verwendet haben:

  • Link ID
    Bei der Content-Inventur wird ein Nummerierungssystem mit beliebig vielen Ebenen zur Strukturierung der Pages erstellt.

  • Link Name
    Der dem evaluierten Content zugeordnete Name wird meist dem Titel des HTML-Dokuments entnommen. Wenn dieser nicht spezifisch genug ist, wird die Headline des Content herangezogen. Der Link Name sollte einzigartig sein und die Inhalte auf der Page bechreiben.

  • Link
    Die Erfassung der URL jeder Page dient nicht nur zur Navigation ausgehend vom Spreadsheet, sondern auch zur Lokalisierung des Dokuments am Webserver. Die URL sollte dabei direkt zum HTML-File führen, nicht zu einem symbolischen Link oder anderen Verweisen.

  • Dokumententyp
    Hier wird das Template genannt, das die Page nutzt (Produkt-Page, rechtliche Hinweise, Presseaussendungen etc.).

  • Topics, Keywords
    In dieser Kategorie wird festgehalten, welchem Themenbereich der Content einer Page zuordenbar ist. Außerdem wird identifiziert, was sich im “Keyword” Meta Tag befindet. Im Idealfall wird ein Vokabular entwickelt, also Keywords, die die Inhalte beschreiben. Das führt zu einer konsistenten Benennung der Inhalte auf den einzelnen Pages.

  • Owner, Maintainer
    Hier wird identifiziert, wer die Inhalte der Page ursprünglich erstellt und wer Updates durchgeführt hat bzw. wer aktuell für die Pflege des Contents verantwortlich ist.

  • ROT
    Die Abkürzung steht für “Redundant, Outdated, or Trivial”. Diese Spalte ist besonders wichtig, denn sie enthält eine erste Einschätzung darüber, in welchem Status sich der Content einer Page aktuell befindet: Ist er redundant? Überholt? Trivial? Sollte er von der Seite entfernt werden?

  • Anmerkungen
    Diese Kategorie ist besonders wichtig: Bereits bei der quantitativen Bestandsaufnahme springen dem Content-Strategen viele Dinge ins Auge – Schwachstellen, Mängel bei der Benutzerfreundlichkeit, Fragen usw. Alle diese Dinge gehören in die Anmerkungen-Spalte eingetragen. Sie hilft beim qualitativen Content Audit oder wird durch dieses ergänzt und dient als Gedächtnisstütze bei Auffälligkeiten, die erst an späterer Stelle zu bearbeiten sind.

Je nach den Anforderungen und Zielen des Webprojekts können beliebig weitere Informationen erhoben werden. Wir würden folgende vorschlagen:

  • Metadaten (!)
  • Kurzbeschreibung der Inhalte auf der Page
  • Datum der Inhaltserstellung und des letzten Updates
  • Links auf die Page und Links von der Page
  • Sprachen
  • Content-Format (Video, PDF-Download, Text etc.)

Wie detailliert die einzelnen Ebenen erfasst werden, hängt von den Unternehmenszielen sowie von der Größe der Website ab. Wichtig ist aber auf jeden Fall, dass das Content Audit nicht als Deliverable im Sinne eines einmaligen Arbeitsergebnisses, sondern als fortwährender, im Unternehmen zu implementierender Prozess verstanden wird. Soll heißen: Der vorhandene Content soll laufend neu gesichtet und bewertet werden.

Haben Sie noch Fragen bezüglich des quantitativen Content Audits? Haben wir etwas nicht verständlich dargestellt? Wie beurteilen Sie die Nützlichkeit des Prozesses? Wir freuen uns über Kommentare, Kritik und Meinungen.